…so lautete der Befehl am Ende der
Bekanntgabe des Tagesbefehls vom 26.07.2019 auf der Brücke der Fregatte Baden-Württemberg.
Es war der Beginn einer zweitägigen Verlegungsfahrt von Wilhelmshafen, rund um
Skagen/Dänemark, zum Marinestützpunkt Kiel.
Aber der Reihe nach…
Außer den ca. 120 Frauen und Männern der Crew Bravo, waren u.a. 15 Mitglieder des Freundeskreises der Fregatte Baden-Württemberg und eine Abordnung des Transporthubschrauberregiments 30 aus Niederstetten mit an Bord. Beim Heeresflugplatz in Niederstetten hatte die Besatzung BRAVO beim Patenlandsbesuch 2018 Quartier bezogen. Hierbei entstanden diese Kontakte.
Nun war es endlich soweit, nach eingehendem „briefing“ (…u.a. was uns erlaubt war und was nicht…) zeigten uns die Verbindungsoffiziere das Schiff, unsere Unterkünfte und wie wir uns zurechtfinden würden. Kaum zu glauben aus wieviel Gängen, Treppenschächten und Schotts dieses Schiff besteht. In bestimmten Bereichen des Schiffsinnern herrscht zudem Überdruck, damit bei einem Einsatz keine Kampfstoffe ins Schiffsinnere dringen können. Dies bedeutet dass es „Schleusentüren“ gibt die für einen Druckausgleich zwischen Innen und Außen sorgen. An diese Technik mussten wir „Landratten“ uns natürlich erst mal gewöhnen…
Meine Unterkunft teilte ich mir mit dem Navigationsoffizier (NO) in Abt. XI H 1, was bedeutet, dass ich auf dem Hauptdeck in einer als sehr komfortabel zu bezeichnenden Unterkunft, mit eigener Nasszelle und Klimatisierung, untergebracht war. Ich habe mich am Anfang des Öfteren verlaufen, es gab aber immer einen freundlichen Hinweisgeber, der mir den rechten Weg zeigte…
Nach dem Rundgang und der Begrüßung auf der Brücke durch Kommandant Fregattenkapitän Andreas Konz und seinem 1. Offizier Fregattenkapitän Andreas Schmidt wurden die Tagesbefehle ausgegeben, die im Wesentlichen mit dem Auslaufen, unserer Fahrtroute, diversen Manövern und ansatzweise dem Einlaufen in Kiel im Zusammenhang standen. Was auffallend war, dass auf der Brücke ein Klima der Gelassenheit und des gegenseitigen Respekts herrschte, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Vermutlich ist dies für Soldaten nichts Besonderes, da es beim Militär ein klares, hierarchisches System gibt. Aber einem „Zivilisten“ und noch dazu „Ungedienten“ wie mir, fällt so etwas natürlich gleich auf.
Mittlerweile waren 2 Schlepper längsseits gegangen, hatten die Schleppleinen übernommen und bugsierten unser schönes Schiff weg von der Kaimauer der Scharnhorstbrücke. Im neuen Vorhafen, wie auch im Binnenhafen des Marine-Stützpunktes waren die Liegeplätze fast alle belegt. Es war wirklich alles vertreten. Vom Einsatzgruppenversorger, Fregatten der verschiedensten Klassen und anderen Einheiten. So bot sich uns beim Auslaufen ein wunderbares Bild. Und als das Typhon an der Ausfahrt erklang, da lief mir ein angenehmer Schauer über den Rücken… Wir waren unterwegs!
Wir wurden in 2 Gruppen aufgeteilt und besichtigten unter anderem die „Buster“ genannten, fast 40 Knoten schnellen Speedboote mit Jetantrieb, die Antriebsanlagen, das E-Werk und Teile der Bewaffnung. Alles natürlich im Rahmen der erlaubten Möglichkeiten, da es an Bord dieser Fregatte jede Menge geheime Dinge gibt, die nicht an die Öffentlichkeit dringen dürfen. So z.B. die „OPZ“ (Operationszentrale) die sozusagen dass „Allerheiligste“ auf jedem Schiff darstellt. Aber alle, dem allgemeinen Schiffsbetrieb dienenden, nicht geheimen Einrichtungen wurden uns gerne gezeigt.
Was noch gar nicht zur Sprache kam – „Backen und Banken“… Vor lauter „sightseeing“ hatten wir gar nicht an das Mittagessen gedacht. Und so war es nach 13:00 und es bedeutete zusätzlichen Aufwand für die Kombüsen-Crew uns jetzt etwas auf den Tisch zu „zaubern“. Aber die Damen und Herren machten aus der Not eine Tugend und so gab´s doch noch Alaska Seelachs oder was anderes. Die Seeluft hatte uns Appetit gemacht und so bedienten wir uns gerne am Buffet. Nach dem Mittagessen ging´s dann zur Sache…
So wurden mehrfach „Hartruderlagen“ gefahren (Hart Back- oder Steuerbord…) um die Dichtigkeit an den Schiffspropellern zu testen. Bei solchen Manövern sind diese einer besonders starken Belastung ausgesetzt und werden deshalb immer wieder überprüft.
Wenn aus 24 Knoten Geradeausfahrt der Befehl „Hart Backbord“ kommt, dann sorgen die über 7000t des Schiffes und die Rumpfform dafür, dass es zu Schräglagen von 13-15 Grad kommt. Wie man auf dem Bild erkennen kann ist das ein interessantes Schauspiel, zumal dann am „Ende des Kreises“ der Befehl „Hart Steuerbord“ kam. Man hörte den Maschinen an, dass sie großen Belastungen ausgesetzt waren, aber alles funktionierte zur vollsten Zufriedenheit. Was für Belastungen in dieser Situation die beiden Blätter der Ruderanlage aushalten mussten kann man nur erahnen…
Dann kam es aber noch besser… – Plötzlich stand das Schiff – und sofort danach ging es volle Kanne rückwärts, da hat es dann richtig gespritzt und das Schiff zitterte zunächst in allen Verbänden – Klasse!!!
Mittlerweile war auch die Gasturbine zugeschaltet und es hieß dann „Hebel on the Table“. Unsere Hecksee war im wahrsten Sinne des Wortes „berauschend“ und weit achteraus zu sehen. Man merkte auch an leichten Vibrationen, dass die Antriebsanlage auf Hochtouren lief. Sie ist etwas ganz besonderes! Nicht nur dass beide Diesel in speziell schallisolierten Containern (Gen-Tec)untergebracht sind, um Geräusche zu minimieren, der CODLAG-Antrieb (COmbined DieseleLectric And Gas) ist eine Antriebsart, bei der Dieselgeneratoren Strom für die Elektrofahrmotoren liefern und zur Erreichung der Höchstgeschwindigkeit eine Gasturbine zugeschaltet wird.
Plötzlich erschallte der Ruf „Mann über Bord“! Routiniert ging ein Rettungsteam auf seine Station. legte die Schutzkleidung an und eine der Klappen, welche die Speedboote (Buster) vor der Witterung schützen, wurde geöffnet und ein Buster mit Besatzung wurde zu Wasser gelassen. Die Beschleunigung dieser 11m langen Spezial-Boote mit Jetantrieb ist so stark, dass die am Boden befestigten Halteschlaufen absolut notwendig sind, damit keiner der Insassen außenbords fällt. Nachdem Oscar, die orangefarbene Gummipuppe, eingeholt war, wurde noch die Wendigkeit dieser Boote vorgeführt. Im Einsatz werden diese auch für die eingeschifften Spezialkräfte genutzt um in küstennahen Gebieten zu operieren.
Ein Besuch auf der Krankenstation eröffnete uns Einblicke in die Behandlungsmöglichkeiten des Schiffsarztes. Im Grunde war fast alles wie an Land vorhanden. In bestimmten Fällen hat der Arzt aber auch die Möglichkeit per Video-Conferencing Kontakt mit einem Bundeswehr-Krankenhaus aufzunehmen und die weitere Verfahrensweise zu besprechen.
Der Maschinenraum gab uns weitere Einblicke in eine faszinierende Welt aus Motoren, Kabeln, Rohren und Niedergängen. Insgesamt sind 4 Dieselmotoren als „GEN-Sets“ installiert um über Generatoren Strom zu erzeugen. Zwei dienen dem Antrieb und zwei sind für die Stromerzeugung aller Verbraucher (Licht, elektr. Anl. etc.) im Schiff vorgesehen. Technische Daten über das Schiff kann man unter www.marine.de im Internet erfahren.
Danach war noch Zeit für „freies Manöver“ und so besuchten wir die Brücke oder hielten uns auf dem freien C-Deck auf. Der lauwarme Wind fächelte dort angenehm und man konnte, wenn nicht alles grau lackiert gewesen wäre, fast vergessen dass man sich auf einem Kriegsschiff befand…
Vor dem Abendessen ging’s noch mal ins Quartier und damit für manchen die Suche aufs Neue los. Aber – da ja alles logisch gruppiert ist, dauerte es diesmal nicht mehr so lange wie beim 1. Mal.
Ab 18:30 gab es dann auf dem Flugdeck einen „Sundowner“ als Begrüßungstrunk. Dieser war alkoholfrei und bestand aus Eis und Fruchtsäften. Wer wollte, der konnte auch andere, nicht alkoholische Getränke zu sich nehmen. Aufgrund der Temperaturen war der Zuspruch sehr gut und so war bald alles getrunken. Alkohol ist während der Fahrt auf dem Schiff absolut tabu! Dafür sollte es aber zur Verabschiedung in Kiel, nach dem Festmachen ein „Einlaufbier“ geben! Anschließend verteilten sich alle Kameraden auf der Brücke, die Offiziersmesse und das freie C-Deck.
Mittlerweile hatte auch die Dämmerung eingesetzt und ich merkte dass mich die vielen, interessanten Eindrücke, die Seeluft und die Bewegung, doch recht müde gemacht hatten. So zog ich mich in mein Quartier zurück, wo ich noch den NO traf, der sich gerade frisch machte um wieder auf die Brücke zu gehen.
Und da war es wieder… – Ja – dieses leise Summen und das angenehme Raumklima. Es begeisterte mich immer wieder, denn vom Fahrbetrieb merkte man hier absolut nichts. Anschließend war „Matratzenhorchdienst“ angesagt und ich schlummerte traumlos vor mich hin.
Da die Wachwechsel hier einen gewissen Rhythmus vorgeben, sind die Sailors von der Fregatte eher Frühaufsteher, was bedeutet dass unser Frühstück so zwischen 06:15 und 06:45 stattfinden sollte. Frisch geduscht, gut gelaunt und voller Elan ging es dann in die Unteroffiziersmesse wo wir auch unsere Verbindungsoffiziere wieder trafen.
Am Vormittag sollte, noch vor Erreichen der Storebelt-Brücke, die gegen 11:00 passiert werden sollte, die Besichtigung des 127 mm Geschützes und des Maschinenleitstandes erfolgen. Wer sich schon mal mit Schiffsgeschützen früherer Zeiten beschäftigt hat, der weiß, dass damals viel „Handarbeit“ angesagt war und die Geschützmannschaften Rauchgas und Lärm in hohem Maß ausgesetzt waren.
Heute ist das anders! Der Waffenmeister erklärte uns das Geschütz von oben nach unten und dabei erfuhren wir, dass – bis auf das Nachladen mit Geschossmagazinen im untersten Teil des Geschützturms – alles automatisch erfolgt. Deshalb ist hier auch eine Kadenz (Schussfolge) von bis zu 35 Geschossen pro Minute möglich. Das bedeutet je Schuss nur etwas mehr als 1,7 Sekunden, da „stört“ der Mensch nur…
Anschließend wurde der Leitstand besucht. Von ihm aus wird die Antriebsanlage sowie die Stromerzeugung für alle anderen Verbraucher überwacht und gesteuert. Die Überwachung durch das Personal unter Führung des LSI ist eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit, da sich aufgrund der computergesteuerten Abläufe in der Regel immer alles im „grünen Bereich“ bewegt und so eine gewisse Eintönigkeit auftritt. Es gilt aber hier in besonderem Maße Abweichungen zu erkennen, die Ursachen heraus zu finden und ggf. präventiv tätig zu werden. Deshalb wird der Leitstand immer von mehreren Personen überwacht, die für bestimmte Bereiche verantwortlich sind.
Wieder an Deck, konnten wir die Durchfahrt unter der Storebelt-Brücke (Große-Belt-Brücke) miterleben. Diese verbindet die dänische Insel Fünen mit Seeland und ist mit ihrer Gesamtlänge von über 13 km und der größten Durchfahrtshöhe von 65 m ein sehr imposantes Bauwerk. Die meisten vom Freundeskreis hielten sich auf dem freien C-Deck oder der Brücke auf, aber auch von der Mannschaft kamen die Leute die Freiwache hatten und noch nicht darunter durchgefahren waren um ein paar Fotos zu machen.
So nach und nach näherten wir uns der Kieler Förde und nach einer Weile konnte man sogar das Marine-Ehrenmal in Laboe sehen. Es war jede Menge Verkehr auf dem Wasser, die Strände waren bei dem tollen Wetter auch voll und so mancher freute sich sicher auf das kühle Einlaufbier, für das bereits die Schankanlage, sowie Tische und Bänke aufgestellt wurden. Es war richtig angenehm windgeschützt in der Sonne zu sitzen und dem bunten Treiben auf dem Wasser zuzusehen. Dann kamen die Schlepper längsseits und zogen die Baden-Württemberg an ihren Liegeplatz der recht weit von den üblichen Brücken entfernt war.
Inzwischen standen die Becher mit „Einlaufbier“ bereit und die Verabschiedung unserer Gruppe und der Abordnung aus Niederstetten konnte beginnen. Der Kommandant Fkpt. Andreas Konz und der 1. Offizier Fkpt. Andreas Schmidt dankten für den Besuch und drückten die Hoffnung aus, dass wir nun einen umfassenden Einblick in den Bordalltag und das Schiff selbst erhalten hätten und wünschten uns eine gute Heimreise. Jeder der Gäste erhielt eine nett gestaltete Urkunde der Fregatte Baden-Württemberg mit der Bestätigung über 590,9 gefahrene Seemeilen. Diese Geste machte es uns ganz „warm um´s Herz“ und führte uns nochmals diese zwei wunderbaren, unvergesslichen Tage vor Augen.
Persönlich habe ich diese, für mich eigentlich fremde, unbekannte Welt als äußerst angenehm; die Geradlinigkeit aller Menschen an Bord als sehr authentisch empfunden. Vor allem hat mich aber das als reibungslos empfundene Zusammenspiel aller Dienstgrade, vom Kommandant bis zum Gefreiten beeindruckt.
Dann hieß es „Prost“ und „Adieu“ oder „Allzeit Gute Fahrt“ und der Rückmarsch nach Hause begann.
Der besondere Dank des Freundeskreises, für die herzliche Aufnahme, gilt dem Kommandant der Crew Bravo, Fregattenkapitän Konz und der gesamten Besatzung, die uns während der gesamten Fahrt das Gefühl gegeben haben willkommen zu sein und mit großer Geduld unsere Fragen beantwortet haben! Auch dem Kommandeur des 4. Fregattengeschwaders gebührt ein Dank! Hat er doch unseren Besuch unterstützt und gefördert. Wir freuen uns schon auf das nächste Treffen mit der Crew Bravo im Ländle und unseren nächsten Besuch auf der Baden-Württemberg…
von Karlheinz Burkhardt, Marineverein Stuttgart 1899 e.V
Quellennachweis: Autor: 9 Bilder, Ruff 2 Bilder , Kienzle 3 Bilder